„Everyone comes out in repeating“

Symptome und Folgen der Repetition eruiert anhand des Stilmittels Gertrude Steins

„Repeating then is in every one, in every one their being and their feeling and their way of realizing everything and every one comes out of them in repeating. More and more then every one comes to be clear to some one.“

Als hätte sie es bereits vorausgeahnt und wollte den späteren Kritiken ihres literarischen Werkes den Wind aus den Segeln nehmen spricht Gertrude Stein bereits im ersten Abschnitt des Auszugs aus ihrem Werk „Making of Americans“ eine Erklärung, fast schon eine Art Rechtfertigung über die Eigenart ihres Stilmittels aus: „ Slowly every one in continous repeating, to their minutest variation, comes to be clearer to some one.“

Der auffällige Stil ihres literarischen Werkes, nicht nur Wörter, sondern auch Teilsätze zu wiederholen und stellenweise auf Interpunktion zu verzichten führt zu Zwiespältigkeit bei den Kritikern. Während sie selbst sich eigenmächtig als Genie deklariert3, äußert sich die Urteilsgebung von Lesern und Kritikern oftmals in gegenläufigen Nuancen. So verlautet der Literaturkritiker Edmund Wilson 1931 in Axel’s Castle: „Ich habe ‚the making of americans‘ nicht ganz gelesen, und ich weiss nicht, ob das überhaupt möglich ist. (…) Bei Sätzen, die einen so gleichförmigen Rhythmus haben, so über die Maßen ausgewalzt sind, so viele Male wiederholt werden und so oft in Partizipien enden, gerät der Leser nur zu bald in die Lage, nicht mehr dem langsamen Fortgang des Geschehens zu folgen, sondern einfach einzuschlafen.“ Hemingway, mit dem Stein zuvor eine langjährige Freundschaft pflegte, höhnte schließlich in seinem Roman „Wem die Stunde schlägt“: „Eine Rose ist eine Rose ist eine Zwiebel“, indem er auf das berühmte Zitat Stein’s „a rose is a rose is a rose“ anspielte.

Das oftmals satirische Echo der Öffentlichkeit auf die Werke Stein’s verdeutlicht, dass weniger deren inhaltliche Aspekte, als vielmehr die dem Text gegebene Form zum zentralen Punkt der Kritik wurde: Das Muster der Wiederholung. Im Gegensatz zu den beispielsweise gängigen Wiederholungen in musikalischen Strukturen in Form von rhythmischen Patterns oder wiederkehrender Abfolgen von bestimmten harmonischen Verläufen spielt Stein in ihrer Literatur mit einer anderen Variante dieses Motivs. Die Wiederholungsabfolge von einem oder mehreren Wörtern innerhalb eines Satzes verläuft nicht in regelmäßigen Zyklen, sondern findet vielmehr in einer scheinbar willkürlichen Ausführung statt, woraufhin zumeist die Ablösung oder Erweiterung mittels eines neuen, ebenfalls sich im fortlaufenden Satz wiederholenden Wortes anschließt: „This is very common and these then are very often good enough kind of young men who are very good men in their living.“

Durch das Zusammenspiel zwischen scheinbar zufällig zur Wiederholung auserkorenen Wörtern und der häufigen Verwendung des Konjunktivs „und“ erhalten die Sätze bisweilen einen fließenden, fortwährenden, andererseits auch etwas unbeholfenen, stockenden und redundanten Charakter. Die zwei Symptome, die das Motiv der Wiederholung zum Vorschein b!ringen kann und ihre konträre Wirkung zueinander werden schnell deutlich.

Im Folgenden möchte ich mich nun diesem Detail widmen und seine konträre Offenbarung anhand der unterschiedlichen Lebensanschauungen zweier Persönlichkeiten erörtern: Friedrich Nietzsche und Judith Butler. Anzumerken ist, dass ich den Dualismus auf zwei einzelne Teilaspekte begrenzen und weder die Personen, noch ihre Philosophien als Gegensätze formulieren möchte. „Alles geht, alles kommt zurück; ewig rollt das Rad des Seins. Alles stirbt, alles blüht wieder auf, ewig läuft das Jahr des Seins.“ verlautet der Prediger Zarathustra im Kapitel „Der Genesende“ seinen Tieren. Nietzsche spricht in seiner, laut ihm selbst als „lebensbejahende“ Lehre bezeichneten Philosophie von der ewigen Wiederkehr des Seins, von einem endlosen Wiedererleben des eigenen persönlichen Schicksals, in dem jedes noch so kleine Detail erneut aufflammt: „ich komme ewig wieder zu diesem gleichen und selbigen Leben, im Größten und auch im Kleinsten“.

Es ist die Lehre, wie sie auch in vielen asiatischen Lebensphilosophien vorzufinden ist: Im Samsara, dem Kreislauf des ewigen Leidens durchbricht letztendlich nur das Loslassen von Begierden und Wunschvorstellungen das fortwährende Laster der Wiederkehr. Dass auch Nietzsche sich der Crux seiner Theorie bewusst ist, die Fluch und Segen zugleich ist, legt seine langjährige Begleiterin Andreas-Salomé in ihrer Schrift zu seinen Werken offen: „Und er litt in der That so tief am Leben, dass die Gewissheit der ewigen Lebenswiederkehr für ihn etwas Grauenvolles haben musste.“ Die „ewige Wiederkunft“ beinhaltet also Laster und Ansporn zugleich: Das Wissen darüber, dass jedes, auch nur noch so kleinste oder im eigenen Empfinden hässlichste Detail des Lebens zurückkehren mag, offenbart dem Individuum nicht nur Beständigkeit, sondern auch Starre. Zugleich weist die unauslöschbare Konsequenz des Ganzen für den Optimisten die Motivation, eben aus genau diesem Grunde sein Denken und Handeln immer und immer wieder zu überprüfen und in seinem Sinne, im besten Falle im Sinne der Allgemeinheit zu optimieren. Schließlich kommt auch Salomé zu dem Gedanken, dass dem Verkünder der Lehre womöglich wohl und abtrünnig zugleich ist, was er selbst verkündet: „Alles, was Nietzsche seit der Entstehung seines Wiederkunfts-Gedankens gedacht, gefühlt, gelebt hat, entspringt diesem Zwiespalt in seinem Inneren, bewegt sich zwischen dem ‚mit knirschenden Zähnen dem Dämon der Lebensewigkeit fluchen’ und der Erwartung jenes ‚ungeheuren A!ugenblicks‘, der zu den Worten die Kraft gibt: „Du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!“

Doch nicht nur für das einzelne Individuum besteht im religiösen oder weltanschaulichen Sinne die Möglichkeit der Repetition. Im Werden und Vergehen der Menschheit wird aufgrund einiger ihrer arteigenen Verhaltenstechniken wie Beobachtung, Kommunikation und Reproduktion die Entstehung von Ritualen, Konventionen und Gesetzen zum redundanten Muster ihrer Existenz, die sich auf eine weitaus größere zeitliche, wie auch räumliche Dimension erstreckt. Was auf der einen Seite für Sicherheit und Klarheit sorgt, kann im nächsten Moment zu einer engen Struktur führen die jeden neuen philosophischen Ansatz im Keime zu ersticken droht. Was passiert, wenn Reformation nicht bloß aus Angst und Argwohn nicht angerührt, sondern noch nicht mal ausgesprochen werden kann, da sich ihre Idee in der gewohnten Sprache nicht auszudrücken vermag, beschreibt Judith Butler in „Das Unbehagen der Geschlechter“ in Bezug auf den feministischen Diskurs: „(…) gerade weil die Subjekte diesen Strukturen unterworfen sind, die sie regulieren, werden sie auch in Übereinstimmung mit den Anforderungen dieser Strukturen gebildet, definiert und reproduziert.“ Bei Butler wird die Gefahr des Statischen umso mehr bewusst: Die fortwährende Reproduktion bestimmter Ideale, kultureller Vorstellungen und ihre daraus resultierenden Praktiken und Handlungen bauen stück für stück ein immer enger werdendes Gesamtkonstrukt aus, deren inhärenten Werte und Ideale letztendlich nicht mehr von Grund auf formbar werden sondern nur noch innerhalb des bereits gegebenen Systems neu zusammengesetzt werden können. Reformiert werden können sie nunmehr nur in dem Sinne, dass sie gewillt sind, das bereits bestehende System weiterhin funktionieren zu lassen und nicht an dessen Grundpfeilern zu zerren.

Die Legitimation des bestehenden Systems hingegen und die in ihr entstehende politische Konstruktion des Subjekts kreiert sich laut Butler durch eine „Analyse, die [diese politischen Verfahrensweisen] auf Rechtsstrukturen zurückführt, wirksam verdeckt und gleichsam naturalisiert, d.h. als ‚natürlich’ hingestellt. Unweigerlich ‚produziert‘ die Rechtsgewalt, was sie (nur) zu repräsentieren vorgibt.“ Das „Natürliche“ ist also in diesem Fall nur das fortwährend produzierte und lässt sich als natürlich gegeben deklarieren und rechtfertigen, da es aufgrund seiner scheinbaren Beständigkeit schon immer zu existieren schien und der Welt ‚ureigen‘ ist. Weiter beschreibt Butler: „Die feministische Kritik muss auch begreifen, wie die Kategorie ‚Frau(en)‘, das Subjekt des Feminismus, gerade durch jene Machtstrukturen hervorgebracht und eingeschränkt wird, mittels derer das Ziel der Emanzipation erreicht werden soll.“ Der Diskurs wird des Diskurses ohnmächtig und die Verhandlungen einer anderen, reformsuchenden Logik verweisen letztendlich immer wieder auf die bereits gegebene Formalsprache hin, da sie sich eben nur in dieser auszudrücken vermag. So wird durch die Beständigkeit in der Form auch der Inhalt gesichert, auf der anderen Seite bleiben weitere Weltanschauungen und Systeme, bzw. sogar die Möglichkeit eines Verzichts auf jegliches System, verwehrt. Sind die Muster allzu starr, läuft die Reproduktion des Beständigen auf Kosten derer, die sich und ihrer Umgebung neu zu kreieren und zu definieren suchen.

Was zu Beginn als Frage nach der Symptomatik und Signifikanz von Repetition war, wird zur Frage nach Determinerung oder Possibilismus bezüglich der Schicksalsbestimmung der Menschheit. In dem sich Butler auf den formalen Kerker bezieht, der das Subjekt daran hindert, reproduzierte Strukturen und Denkmuster zu reflektieren und dekonstruieren, eruiert Nietzsche aus der These der ständigen Wiederkunft die Frage nach der Dringlichkeit und Notwendigkeit jedes noch so kleinen Details, die den Menschen schließlich zur Vollführung seines eigentlichen Wesensbestimmung bringt: „Wer wirklich einmal mit einem asiatischen und überasiatischen Auge in die weltverneinendste aller möglichen Denkweisen hinein und hinunter geblickt hat – jenseits von Gut und Böse, und nicht mehr, wie Buddha und Schopenhauer, im Bann und Wahne der Moral -, der hat vielleicht eben damit, ohne dass er es eigentlich wollte, sich die Augen für das umgekehrte Ideal aufgemacht: Für das Ideal des übermüthigsten lebendigsten und weltbejahendsten Menschen, der sich nicht nur mit dem, was war und ist, abgefunden und vertragen gelernt hat, sondern es, so wie es war und ist, wieder haben will (…)“ Um wieder haben zu wollen, was ewig war, ist die ständige Reflexion und Dynamik jedweder Handlung quasi zwingend. Es folgt laut dem Samsara die Überwindung der Geistesgifte Gier, Hass und Verblendung, die den Menschen schließlich aus dem Rad des Lebens hinaus katapultieren und zu seinem eigentlichen Sein zurückführen lassen.

Heidegger macht deutlich, wie sich bereits in der Überschrift des oben zitierten Kapitel aus „Also sprach Zarathustra“ die Essenz der Wiederholung bzw. Rückkehr ausdrückt: !
„Genesen […] bedeutet heimkehren; Nostalgie ist der Heimschmerz, das Heimweh. ‚Der Genesende‘ ist unterwegs zu ihm selber, so dass er von sich sagen kann, wer er ist. In dem genannten Stück sagt der Genesende: ‚Ich, Zarathustra, der Fürsprecher des Lebens, der Fürsprecher des Leidens, der Fürsprecher des Kreises – …‘ “ Die Rückkehr des Ichs an einen Ort, der vor einer gewissen Zeitspanne nicht nur durch es selbst beseelt wurde, sondern an dem es sich bereits selbst in Bezug zur Außenwelt gesetzt hat, fungiert als eine Art Filter seines eigentlichen Daseins. Es bedeutet die Möglichkeit des Ichs, sich bewusst darüber zu werden, welche Bindungen grundlegend für sein späteres Handeln wurden und sind, und welche Muster in seinem Verhalten auch außerhalb dieses Ortes Bestand haben. Es erhält im Moment der Rückkehr die Möglichkeit, sein wahres Ich zu analysieren und herauszukristallisieren, die Essenz seines Wesens zumindest ein stückweit zu offenbaren. !

Was sich wiederholt, kehrt zurück. Was zurückkehrt, findet zu sich selbst. So wird der Satz „repeating then is in every one, in every one their being and their feeling and their way of realizing everything and every one comes out of them in repeating“ zum Aufruf ans Knochenmark der Existenz. Das Wesen des Satzes manifestiert sich in der Redundanz seiner Wörter, wird schon ohne die Erkenntnis seiner semantischen Bedeutung zum Fazit. Sein adjektivisches Prinzip wird zum Prinzip des Seins.

Durch eben dieses Zusammenspiel zwischen Wiederholung als Stilmittel und dem Eruieren der Wiederholung und ihrer Bedeutung im semantischen Gehalt entsteht eine weitere Wiederholung, die dem Leser jedoch wiederum das Leid des fortlaufenden Kreislaufes veranschaulicht: Die Gefahr des Steckenbleibens, des Stolperns, die durch die Repetition entstehende Betonung eventuell unbedeutender Areale. Was sonst als regelmäßiges, rhythmisches Moment dem Musik und Poesie konsumierenden Menschen die Verbundenheit mit der Welt deklariert indem er ihn in die gleichmäßigen Zyklen des Lebens einbindet, weist hier plötzlich die Tragik der Redundanz auf: Dem Wiederholen eines einzelnen, eventuell unbedeutenden Abschnittes, eines kleinen Punktes, er eigentlich froh schien, überwunden worden zu sein, und der nun auf immer und immer der willkürlichenWiederholung erliegt, seine Bestimmung aus ihr herausschälend, unwissend darüber, ob er jemals aufhören darf zu sein, ob er in der Lage dazu sein wird, Neues zu Kreieren und Überholtes zu beenden. Verharrend in endloser Repetition, nährt er sich von zunehmender Statik und führt letztendlich zum Tod.