Neues vom Kulturimperialismus

„First things first, I’m the realest“
(Iggy Azalea)

Das Wissen um traditionelle Kulturtechniken und dessen Träger sind Objekte der Aneignung und Ausbeutung symbolischen Kapitals.

Exotismus hatte schon immer das Potential für beides: Die Entdeckung einer schalen romantisierten Version des eigenen Phantasmas und die bewusste Wahrnehmung des grundsätzlich Anderen.
Jede Kultur birgt die adaptive Offenheit gegenüber ihr fremden Kulturtechniken. Die Idee der Erfahrung des Anderen, die Möglichkeit dessen Wahrnehmung als Differenz und nicht als mangelhaftes Identisches kommt durch die https://slotspie.com/ Beschäftigung mit dem Exotismus erst in den kulturantropologischen Diskurs und beeinflusst die Philosophischen Strömungen des ausgehenden 20. Jahrhunderts.

In kaum einem Bereich der Kunst wird Repräsentation dermassen kontingent verhandelt wie in der Musik. Zwar werden sehr grundlegende emotionale Kategorien mit gewissen tonalen Stimmungen und der generellen Geschwindigkeit verknüpft  (etwa: „Moll / langsam ≈ traurig“ und „Dur / schnell ≈ Fröhlich“ ), dieselbe Melodie hingegen kann mit unterschiedlichem Text diametral entgegenstehenden politischen Strömungen als identifikatiorische Leinwand dienen.
Möglich das dies einer der Gründe dafür ist, dass musikalische Traditionen sich immer verhältnismäßig leicht mit der Verschmelzung mit anderen musikalischen Traditionen – und seien es die der Feinde – taten.

Im Bereich der Musik wird somit der ambivalente Charakter des Exotismus auf besonders komplexem Niveau verhandelt. Alles kann viel bedeuten, muss aber nicht – die Bedeutung kann vom Interpreten oder Komponisten ‚hineingelegt‘ worden sein oder erst beim Hörer entstehen. Auch kann vom Hörer eine ganz andere Bedeutung ‚herausgelesen‘ werden als sie vom Komponisten ‚hineingelegt‘ wurde. Ein kulturelles Bermudadreieck für den ethischen Kompass.

Hilfe kommt ethisch gesehen nur von Heinz von Förster, dessen Direktive „Der Hörer, nicht der Sprecher bestimmt die Bedeutung einer Aussage.“ so sehr von der Fremdbestimmtheit befreit, wie sie zur absoluten Verantwortung für das Wahrgenommene verdammt.

Die durch neue Medien global vernetzten musikalischen Subkulturen stehen heute in nie gekanntem Ausmass im Austausch; schneller denn je wird radikaler denn je adaptiert, geklaut, gemerged und fusioniert – kaum ein Monat ohne ein neues Fusion-Genre.
In Bezug auf den afrikanischen Kontinent ist dies besonders interessant: Afrikanische Bands werden für den ‚abendländischen‘ Markt entdeckt und ‚präsentiert‘, westliche Produzenten integrieren ‚afrikanische‘ Styles, fühlen sich inspiriert und rufen ‚kulturverschmelzende‘ (Spiegel) Musikstile ins Leben. Gleichzeitig generieren die Faszination mit ‚abendländischen‘ Stielen, deren neu entwickelten Instrumenten und Effekten sofort Antworten auf dem afrikanischen Kontinent.

Das ist alles eine insgesamt erbauliche Angelegenheit, für alle denen die „Reinheit des kulturellen Erbes“ schon immer suspekt war. Wieso also mein miesepetriger Vorwurf der „Ausbeutung symbolischen Kapitals“? Schliesslich ist kultureller Austausch im humanistischen Wertesystem ein prinzipiell wünschenswertes Phänomen, da es der Lebendigkeit von Traditionen, der ‚Völkerverständigung‘ und somit letztendlich dem Frieden dient (‚Humanismus‘ setzte ich hier als Ideologie der Wahl voraus, dass diese ihrerseits hochgradig kontingent ist muss bei anderer Gelegenheit erörtert werden).

Der ambivalente Charakter des Exotismus ist nicht das beste Verkaufsargument, in einer Gesellschaft deren Mitglieder sich verstärkt auf der Suche nach identitätsstiftenden Konstrukten befinden: Nationalitäten, Religionen, Abstammungslinien – die am billigsten zu habenden identifikatorischen Rundum-Sorgloss-Pakete erfreuen sich nach einer historisch äusserst kurzen Phase leicht nachlassenden Interesses wieder wachsender Beliebtheit.

Identifikatorisches Potential bietet für die meisten nur, was in einer sich immer schneller ändernden Welt Stabilität – bzw. relative Festigkeit – verspricht: Also alles was einen direkten Bezug zum immer schon gewesenen und nach antizipatorischen Erwägungen auch erstmal andauernden unterhält: Die Tradition. Ihre Echtheit, Reinheit und Durchsetzungskraft wird von den Betrachtern in jedem sie aktualisierenden Ereignis als dessen „Authentizität“ erfasst.

Traditionelles Kulturelles Wissen und seine Träger sind daher Medium der immer schwerer verfügbaren Ressource des Authentischen.
Authentizität ist genau jenes so oft totgesagte Merkmal der Kulturellen Produktion, welches heute direkt in symbolisches Kapital und durch diesen Umweg auch in tatsächliches Kapital überführt werden kann.
Die Erfahrung der Authentizität geniesst es sich am besten im karitativen Kontext: Die Träger des Wissens um traditionelle Kulturtechniken offenbaren den wohlwollenden Humanisten ihre Prozeduren zur Erfahrung des Natürlichen und Ursprünglichen. Die immer bestehende Möglichkeit, in dieser Erfahrung nur wieder sich selbst zu finden ist gewollt – handelt sich doch vermeintlich um ein ‚tieferes‘, ‚ursprünglicheres‘ und ’natürlicheres‘ Selbst.

Die Ambivalenz des Exotismus untergräbt jedoch dessen Potential als Lieferant des Authentischen nachhaltig ausgebeutet zu werden.

Will man sicher gehen, womit man es zu tun hat lohnt es, sich an zwei Direktiven zu halten: die von Lester Freamon: „You follow drugs, you get drug addicts and drug dealers. But you start to follow the money, and you don’t know where the fuck it’s gonna take you.“ und die bereits erwähnte von Heinz von Förster, wobei letztere uns immerwieder auf unsere Erwartungen an uns und das Leben zurückwerfen wird.