Was muss das für ein Gefühl sein, wenn der Mobber die Rechte zur eigenen Musik besitzt? Wenn eine Person, von der man privat und in der Öffentlichkeit immer wieder deformiert wurde und die nichts zum eigenen Erfolg beigetragen hat, an der eigenen Kunst mitverdient?
Der Konflikt zwischen Scooter Braun und Taylor Swift erlebte große mediale Aufmerksamkeit und steht stellvertretend für vieles, was im Musikbusiness falsch läuft. Wer ist dieser Mann, der hier so hart in der Kritik steht? Braun ist ein Manager der Superlative. Er vertritt die Interessen von Justin Bieber, Ariana Grande, Kanye West und von Demi Lovato. 2019 kaufte er das Label „Big Machine“, das die Rechte zu den ersten sechs Alben von Taylor Swift besaß. Somit verfügte er über die Royalty Rights ihres gesamten Lebenswerks.
Swift verlies das Label bereits im Vorfeld und mit dem Bewusstsein, dass Scott Borchetta, der frühere Inhaber, ihre Alben möglicherweise verkaufen würde. Doch einen Deal mit Braun hielt sie damals nicht für möglich, da Borchetta um die Demütigungen wusste, die sie durch den Manager erfahren hatte. Ihrer Aussage nach hatte sie vorher bereits vehement, doch vergeblich versucht, die Rechte an ihren Werken eigenständig zu erwerben. Big Machine hatte ihr daraufhin angeboten, sie wieder unter Vertrag zu nehmen und weitere Alben zu veröffentlichen. Für jedes neue Album würde sie die Rechte von einem ihrer alten wieder zurückerlangen. Das klingt weniger nach einem Handel, als viel mehr nach Erpressung. Royalty Rights steht für Lizenzrechte an den spezifischen Aufnahmen. Die Songideen selber und alles, was diese ausmachen, blieben jedoch weiterhin im Besitz von Taylor Swift. In den allermeisten Plattendeals wird festgehalten, dass Artists ihre Werke nicht mit einem anderen Label neu aufnehmen dürfen, zumindest für eine bestimmte Zeit. Bei Swift fehlte die Klausel. Mit dem Wissen um diese juristische Lücke kündigte sie nach dem Labelverkauf an, dass sie fünf ihrer sechs Alben eigenständig neu aufnehmen und veröffentlichen werde. Sie ermutigte ihre Fans, die Songs, die sich in Brauns Besitz befinden, nicht mehr zu hören. So könne er keinen Profit daraus schlagen.
Bis heute sind zwei dieser Alben mit dem Namenszusatz „Taylors Version“ erschienen. Sie erhielten überwiegend positive Kritiken und klingen beinahe eins zu eins, wie die ursprünglichen Versionen. Lediglich ihre Stimme hat etwas mehr Tiefe und Pitch Correction, ein paar der Studiomusiker sind andere. Wie wenige andere Werke symbolisieren die Songs den Zwiespalt zwischen der Liebe zur eigenen Kunst und der Abhängigkeit eben dieser von dem Wohlwollen einflussreicher Menschen. Die Neuauflagen stehen für Emanzipation und den Kampfeswillen, sich den strukturellen Defiziten der Musikbranche nicht beugen zu wollen. Inzwischen hat Braun ihre Alben weiterverkauft.
„Artists deserve to own their own music“ – Taylor Swift.
Ein Text von Lennart Büchner