„Dass ich immer nur weg will von euch, macht mein Leben zu schnell.“
– Schorsch Kamerun in „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“
„Hier, das ist ein verlorener Sohn des Hauses, bisschen runter mit den Nerven und so, Vollgaslifestyle, der braucht mal ne Gelbe. Oder vielleicht auch gleich drei.“
– Udo Lindenberg zu seinem Leibarzt über Benjamin von Stuckrad-Barre in „Panikherz“
Bei einer Biografie handelt es sich um eine „künstlerisch-literarische(n) bzw. wissenschaftliche(n) Darstellung eines (…) Lebenlaufs“, wie es das „Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft“ definiert. Der Begriff sei ein Kompositum aus den griechischen Wörtern ‚Leben‘ (bios) und ’schreiben‘ (graphein). Im Seminar „Künstlerischer Text“ widmeten wir uns dem Sonderfall namens Autobiografie, bei dem Autor und beschriebene Person identisch sind.
Wie verschieden sich eine Beschreibung des eigenen Lebens angehen lässt, untersuchten wir anhand zweier Neuerscheinungen aus dem popkulturellen Sektor: Zum einen „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“ von Schorsch Kamerun, Sänger und Texter der Band Die Goldenen Zitronen, außerdem Theaterregisseur und Clubbetreiber. Zum anderen „Panikherz“ von Popliterat, Journalist und Fernsehmoderator Benjamin von Stuckrad-Barre.
Beiderseits zwar recht unmissverständlich als Autobiografie angekündigt, unterscheiden sich die Bücher vor allem darin, dass sich Stuckrad-Barre seinem gesamten Lebenslauf, von der Erziehung durch die „ersten Ökos Deutschlands“ über von Drogenexzessen geprägte Jahre als Kultautor bis hin zur rettenden Freundschaft zu Udo Lindenberg, widmet – Kamerun hingegen einer gewissen Periode aus jungen Jahren. Außerdem verpasst Letzterer seiner Geschichte eine Art Tarnmantel der Fiktion, indem er sämtlichen Charakteren neue Namen gibt. „Die Idee war, über einen Schmerz zu schreiben, den eine bestimmte Zeit mit sich brachte, ohne diesen direkt auf mich zu beziehen“, so Kamerun im Interview mit dem Magazin „Spex“. „Dafür habe ich Protagonisten gesucht, weil das Konzept des personalisierten Autors das nicht hergegeben hätte.“
Stuckrad-Barre hingegen erzählt seinen Weg in Magersucht, Bulimie und Kokainabhängigkeit (und zurück) direkt aus der Ich-Perspektive. „Schonungslos ist das, und, wie viele Drogenbücher, bisweilen larmoyant“, befindet Lars Friedrich in seinem Beitrag für den BR. „Eine Sucht ist ein sehr autistischer Vorgang“, erklärt sich Stuckrad-Barre. „Daher liegt es auch inhaltlich nahe, das vor allem als beklemmende Innensicht zu beschreiben.“
„Panikherz“ erschien am 10. März 2016 im Verlag Kiepenheuer & Witsch, „Die Jugend ist die schönste Zeit des Lebens“ wenige Tage später bei Ullstein. Benjamin von Stuckrad-Barre hat außerdem ein empfehlenswertes Hörbuch eingelesen, das zeitgleich bei tacheles/ROOF Music veröffentlicht wurde.