So ein im Öffentlich-Rechtlichen gesendetes Hörspiel hat es nicht leicht. Kaum sind seine 53:30 (oder so) Minuten Sendezeit vorüber, schon versinkt es für immer im Sumpf der Rundfunktresore. Mit etwas Glück – d.h., wenn es den „richtigen“ Sender erwischt hat – bleibt es noch eine Woche zum Anhören/Download online. Danach aber ward es nie wieder gehört. Wer’s verpasst hat, hat’s verpasst und wer erst ein Jahr später davon „hört“, bleibt gezwungenermaßen „taub“.
Natürlich muss das nicht so sein, deswegen lassen sich findige Leute etwas dagegen einfallen und arbeiten an Formaten für Hörspielpräsentation jenseits des konventionellen Sendeschemas – auch anbetracht der Ungewissheit ob der Zukunft des ÖR-Rundfunks in Deutschland nicht uninteressant und schon gar nicht unwichtig.
(Alle Fotos: Florian Merdes)
Einer mit solchen Ideen ist Paul Plamper. Sein Stück „Der Kauf“ gewann den ARD Hörspielpreis 2013, der in Karlsruhe verliehen wurde. Eben dort kehrte das Hörspiel Anfang Juli 2015 zurück – als Hörspielparcours unter freiem Himmel, in einer Inszenierung ohne (sichtbare) Menschen. „Der Kauf“ handelt von den Verstrickungen zweier Paare, die sich um eine Immobilie in einem angesagten, gentrifizierten Viertel einer Großstadt rangeln. Man versucht, sich moralisch rückzuversichern („Wir spenden was von unserem Gewinn, Afrika oder so.“), während sich die Spirale um Besitzanspruch und Selbstzufriedenheit schon unaufhaltsam dreht.
Der Ort für die Karlsruher Hörspielparcours-Version ist bestens ausgewählt: Vor kurzem wurden auf dem Schlachthofgelände im Osten der Stadt noch Schweine geschlachtet und zerlegt. Heute entsteht hier der „Kreativpark Ost“, ein Areal für „Kreative“ und zugleich viel diskutiertes Prestigeproejekt der Karlsruher Stadtpolitik. Noch ist nicht das ganze Gelände erschlossen und umfunktioniert. Der Hörspielparcours grenzt an eine Wand der Schlachthofgebäude, besteht aber selbst nur aus Geröll und steppenartigem Gras. Eine städtische Brachfläche wie aus dem Bilderbuch. Plamper installierte hier Sitzgelegenheiten und Aufsteller mit Zitaten aus dem Hörspiel. Mit MP3-Playern und Kopfhörern lässt sich „Der Kauf“ hier nochmal ganz anders hören als im November 2013 im geschlossenen Kubus des ZKM bei den ARD Hörspieltagen.
Die badische Abendsonne knallt noch ganz gut und Kunstkopfaufnahmen erscheinen plötzlich als die einzig sinnvolle Open-Air-Wiedergabetechnik. Vor allem aber verdeutlicht dieser brachliegende Raum, worum es hier geht. Die äußere Bühne des Parcours erweitert die vielzitierte innere, die beim Hörspiel hören Bilder entstehen lässt. Obwohl „Der Kauf“ nun räumlich inszeniert ist, bleibt die innere Imagination höchst lebendig. Wer könnte eines Tages auf dieser Fläche bauen? Wie lange dauert das noch? Wer zieht dann ein? Wie sehen die aus? Wer motzt dann dagegen? Wie sieht der Alte Schlachthof Karlsruhe in 6 Monaten oder 6 Jahren aus? Kann oder sollte man da etwas dagegen tun? Ist das alles schon ok so?
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Hörspielparcours-Versionen von „Der Kauf“ richtete Paul Plamper bereits in Köln, Berlin und München ein. „Ruhe 1“ im Kölner Museum Ludwig und „Das akustische Kleist Denkmal“ rund um den Berliner Wannsee sind zwei weitere seiner Projekte, die das Hörspiel mit neuen Formaten vom Rundfunk entkoppeln, oder den Rundfunk erweitern, wie man möchte.
Noch ein Tipp für eine Baustelle, an der an neuen Präsentationsformen des Mediums Hörspiel gewerkelt wird: Das Experimentelle Radio an der Bauhaus-Universität Weimar. Hinhören!